Diese Schiedsrichter sorgen für Verwirrung
Einen Namensvetter zu haben, ist nichts ungewöhnliches. Doch die Geschichte von zwei Handballern aus dem Bezirk Gießen ist besonders. Sie beginnt auf einem Schiedsrichter-Lehrgang.
Und wer ist jetzt wer? Jan Weber und Jan Weber müssen grinsen, sie kennen diese Frage nur zu gut. „Ich bin Jan“, sagt der etwas größere von beiden. „Und ich bin Jan“, sagt der etwas kräftigere junge Mann. Die beiden Handball-Schiedsrichter genießen das Verwirrspiel sichtlich, zeigen aber glücklicherweise schnell Erbarmen. „Ich bin der von der HSG Kleenheim-Langgöns“, sagt der Eine. „Ich bin der von der HSG Gedern/Nidda“, sagt der Andere.
Seit 2017 sind die beiden als Gespann im Handballbezirk Gießen unterwegs. Die Konstellation ist durchaus ungewöhnlich, auch wenn Jan Weber kein seltener Name in Deutschland ist. Auch, dass die Namensvetter beide Handball spielen ist kein Grund zum Ausflippen. Beide sind seit Kindesbeinen aktiv, spielen derzeit mit den Männermannschaften ihrer Heimatvereine in der Bezirksliga A. Beide kamen über ihre handballspielenden Väter zum Handball. Bis hier her läuft es noch unter Zufall. Aber dass beide vor zwei Jahren einen Schiedsrichterlehrgang besuchen und beim Betrachten des Namensschildes des jeweils anderen auf dieselbe Idee kommen, muss eine Fügung des Schicksals sein.
Jan und Jan waren quasi alleine da, als einzige Vertreter ihrer Vereine. Und dann sagte der Gedern-Nidda-Jan zum Kleenheim-Langgöns-Jan: „Nur um die Leute zu veralbern, machen wir das.“ Nach der bestandenen Prüfung absolviert das Gespann fünf Testspiele unter Beobachtung und stellt schnell fest, dass die Chemie auch auf dem Parkett stimmt. Dem tut auch die räumliche Distanz keinen Abbruch. „Wir wohnen jeweils an einem Ende vom Bezirk, also reisen wir zu Spielen oft getrennt an“, erzählt Jan aus Langgöns. Aktuell pfeift das Duo bis zur Landesliga der Frauen, perspektivisch wollen sie den nächsten Sprung, der zum Leiten von Oberliga-Spielen berechtigt, schaffen. Selbst die knifflige Situation, als Jan aus Nidda ohne Absprache die blaue Karte zückte, überstand das Duo ohne Probleme. „Normalerweise wird vor einer blauen Karte immer Rücksprache gehalten. Da hab ich mich zwar hilflos gefühlt, aber da musste ich die Entscheidung mitverkaufen“, erzählt Jan aus Lang-Göns, und beide müssen lachen.
Die Webers sind eine Einheit, das wird schnell deutlich. Gesucht und gefunden, würde man auf der Vermittlungsbörse sagen. Nur ein Thema spaltet sie etwas. „Ich finde, Frauenspiele sind einfacher zu pfeifen. Da wird viel weniger gemeckert“, sagt der LangGönser. „Finde ich gar nicht“, sagt der Randwetterauer. „Naja, es kommt immer drauf an. Bei Derbys zum Beispiel ist es immer etwas anderes“, sagt Jan aus Lang-Göns daraufhin. Und schon sind sie sich die Namensvetter wieder einig. Nächster Versuch: Lieber Aktive oder doch ein Jugendspiel? „Aktivenspiele sind einfacher, die wissen meistens auch, was sie falsch gemacht haben, Aber bei Jugendspielen kommt ein ganz großer Störfaktor dazu: die Eltern.“, sagen beide. Bislang war es ein lockeres Gespräch.
Als das Gespann zu erzählen beginnt, wie sie einen Zuschauer aus der Halle warfen, ist der Wortgebrauch plötzlich sehr Schiedsrichterdeutsch. „Wir haben das Spiel unterbrochen und am Zeitnehmertisch anweisen lassen, dass dort ein Ordner hingestellt wird. Für uns war es so nicht mehr ertragbar, das Spiel weiter zu leiten“, sagt der Wetterauer Jan. Eine Person, die zu tief ins Glas geschaut hatte, wurde per Hausrecht dann aus der Halle geschmissen. Das sorgte für Aufsehen. Im Anschluss seien sie dafür gelobt worden, auch weil sich viele erfahrene Gespanne das in ähnlichen Situationen nicht getraut hätten, erzählt Jan aus Langgöns.
Als Schiedsrichter aktiv zu werden, hat für beide zwei Gründe. Einerseits, sagen die Jans, wollen alle spielen, also brauche es schließlich auch Referees. Andererseits wollten sie frischen Wind reinbringen, „ohne den älteren Gespannen zu Nahe treten zu wollen“, sagt der Wetterauer Jan mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Als aktive Schiedsrichter helfen sie auch ihren Vereinen, die damit ein Problem bei der wichtigen Akquise weniger haben. Dafür bekommen die Webers die Ausrüstung von ihren Vereinen gestellt und eine jährliche Aufwandsentschädigung im kleineren dreistelligen Bereich. „Man kann es jedem nur ans Herz legen, den Lehrgang zu machen. Zudem gibt es ein Taschengeld obendrauf“, sagt der Kleenheim-Langgöns-Jan. Allerdings, so erzählen sie, seien schon lange nicht mehr alle Gespanne aus ihrem Lehrgang im Einsatz. Die Gründe sind verschieden. Umso wichtiger ist es, dass das Schicksal manchmal nachhilft und die Jan Webers dieser Handballwelt zusammenführt.
Quelle: Gießener Allgemeine Zeitung (27.06.2019)